Dystonie und Botulinumtoxintherapie

Der Schwerpunkt unserer Sprechstunde besteht in der Diagnostik und Behandlung von:

Dystonie


Blepharospasmus, Hemispasmus fazialis, Oromandibuläre Dystonien, Torticollis, fokale und aktionsinduzierte Dystonien wie z.B. Schreibkrampf, dystoner Tremor, andere und seltener Dystonien

Spastizität


nach Schlaganfall und bei anderen Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie z.B. Multipler Sklerose

Andere Erkrankungen


die mit Botulinumtoxin behandelt werden können wie Hyperhidrose, Pseudohypersalivation und ausgewählte Formen des essentiellen Tremors

Mehr Details zu den Krankheitsbildern:

Hierbei kommt es zu unwillkürlichen, anhaltenden Verkrampfungen oder kurzzeitigen Zuckungen von Muskeln, die in verzerrenden und wiederholten Bewegungen oder abnormen Haltungen resultiert.

Die Ursachen sind bis heute nur zum Teil aufgeklärt, es wird jedoch eine Störung der tief im Gehirn liegenden motorischen Zentren („Basalganglien“) angenommen. In seltenen Fällen findet sich auch eine genetische Ursache.

Das Spektrum der möglichen, betroffenen Körperregionen ist breit: So kommt es beim Blepharospasmus („Lidkrampf“) zu Verkrampfungen im Bereich der Augen, beim Hemispasmus fazialis (nicht direkt den Dystonien zugeordnet) im Bereich einer Gesichtshälfte. Bei oromandibulären Dystonien zeigen sich v.a. beim Sprechen oder Kauen Verkrampfungen im Mundbereich oder der Kiefermuskulatur. Auch die Stimmbänder können beteiligt sein, was zu einer gepressten Stimme im Sinne einer sogen. spasmodischen Dysphonie führt.

Prinzipiell werden bei der willentlichen Ausführung von Bewegungen Nervenimpulse über zwei Stationen vom Großhirn über das Rückenmark in den Muskel fortgeleitet. Außerdem können Muskeln auch über willkürlich nicht beeinflussbare Muskelreflexe aktiviert werden.

Hierbei führt eine plötzlich Dehnung von Muskeln zu einer Aktivierung von Sensoren („Muskelspindeln“) im Muskel, welche ins Rückenmark geleitet, dort direkt umgeschaltet und wieder in den Muskel zurückgeleitet wird. Dies ist z.B. beim Stolpern ein wichtiger Mechanismus um über eine rasche, „reflektorische“ Kniestreckung einen Sturz zu verhindern.

Nach einem Schlaganfall oder anderen Erkrankungen wie z.B. Multipler Sklerose etc. kann es jedoch zu einer Überaktivität solch reflektorischer Mechanismen kommen. Dies führt zu teils schmerzhaften Verkrampfungen („erhöhter Muskeltonus“) in den gelähmten Muskeln bzw. Gelenkfehlstellungen und somit zu einer über die Lähmungserscheinungen hinausgehenden Beeinträchtigung von alltäglichen Tätigkeiten oder zu Problemen bei der Körperpflege.

Neben Medikamenten, welche naturgemäß im ganzen Körper wirken und oft nur eine begrenzte Wirksamkeit haben lassen sich umschriebene Muskelverkrampfungen bzw. Bewegungseinschränkungen oder Schmerzen durch Injektionen mit Botulinumtoxin behandeln und damit auch Langzeitfolgen wie Gelenkkontrakturen verhindern. Bei ausgeprägter Spastik beider Beine ist auch die Implantation einer Medikamentenpumpe, welche die Spastik mildernde Medikamente direkt in das Nervenwasser abgibt prinzipiell möglich.

Neben der ausführlichen klinisch-neurologischen Untersuchung incl. Erhebung von speziellen Scores zur Diagnose und Verlaufsbeurteilung (motorische Funktion/Symptome, Spastizität, Bewegungsumfänge, Begleitsymptome, Neuropsychologie und Kognition, Stimmung, Lebensqualität) steht uns das gesamte Spektrum an relevanten Zusatzuntersuchungen zur Verfügung (Elektrophysiologie incl. speziellen Verfahren wie transkranieller Magnetstimulation und Tremoranalyse, Autonome Testung, Testung des Geruchssinns, Neuropsychologie, bildgebende Verfahren wie die Muskelsonographie, transcranielle Sonographie des Stammhirns und der Basalganglien sowie Kernspintomographie und nuklearmedizinische Verfahren zur Untersuchung des dopaminergen Systems wie β-CIT und IBZM-SPECT (in Zusammenarbeit mit dem Institut für Neuroradiologie und der Nuklearmedizin).

In der Behandlung von Dystonien und Spastizität haben unsere Mitarbeiter langjährige Erfahrung in der Anwendung von Botulinumtoxin incl. speziellen Stimulator-, EMG- oder Ultraschall-gesteuerten Injektionstechniken. Ggf. erfolgt auch eine Kombinationsbehandlung mit speziell wirksamen Medikamenten. In schweren bzw. generalisierten Fällen besteht die Möglichkeit zur Implantation einer Baclofen-Pumpe oder in Zusammenarbeit mit anderen Universitätsklinika auch die Implantation eines Gerätes zur tiefen Hirnstimulation („Hirnschrittmacher“).

Um eine optimale Behandlung von Patienten mit Spastizität zu erreichen wurde von unserer Klinik außerdem ein Projekt zur interdiziplinären Therapie der Spastizität in Zusammenarbeit mit REHA-Einrichtungen, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten ins Leben gerufen (Erlanger Modell der Spastizität – EMOS).

Des Weiteren sind wir an einer Reihe von klinischen Studien zur Therapie von Bewegungsstörungen beteiligt und beschäftigen uns von Seiten der Grundlagenforschung mit der Plastizität des motorischen Systems, der sensomotorischen Integration bei Bewegungsstörungen sowie der (v.a. ultraschallgestützten) Behandlung mit Botulinumtoxin. Hierbei werden vor allem elektrophysiologische (z.B. transkranielle Magnetstimulation) und bildgebende Verfahren eingesetzt.